Warum sind wir von Oktober 2019 an auf die Straße gegangen?

Nicht um gegen eine Düngeverordnung zu protestieren, wie es von den Medien immer wieder so dargestellt wurde. Nein, denn die gab es zu diesem Zeitpunkt schon lange! Wir wollten bei der Neuauflage der Düngeverordnung 2020 fachlich erforderliche Änderungen und Ergänzungen durchsetzen.
Aus welchen Gründen auch immer war die Politik nicht bereit, diese in die Neuauflage mit einzuarbeiten, es macht den Anschein als wäre es bei der neuen DÜV nur darum gegangen, das EU- Verfahren damit abwenden zu können.
Durch die deutliche Verschärfung der DÜV war es unumgänglich, eine Binnendifferenzierung bei der Ausweisung von den mit Nitrat belasteten Gebieten (Rote Gebiete) zu fordern, um die in den bisherigen roten Grundwasserkörpern angewandte Kollektivbestrafung zu vermeiden.
Daraufhin wurde auf Bundesebene eine Allgemeine Verwaltungsverordnung verfasst und beschlossen. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es für Deutschland keine einheitlichen Regelungen für die Ausweisung Roter Gebiete. Das war der erste große Erfolg unserer landesweiten Demonstrationen. Die Politik musste einsehen, dass es kein „Weiter so“ mehr gibt. Zu einer sogenannten Verbändeanhörung wurden ca. 29 Verbände, darunter auch wir als LSV Bayern, eingeladen.
Mit dem Beschluss der AVV wurden die Länder verpflichtet, diese bis spätesten 01.01.21 in eine Landesverordnung umzusetzen. Die neue AV DÜV trat schließlich am 01.01.21 in Kraft.
Auf unserer Homepage www.landwirtschaftverbindetbayern.de könnt ihr unsere eingereichten Vorschläge nachlesen und euch selber ein Bild machen.
Wieder konnten wir, die Bauern, einen Erfolg verbuchen, eine Halbierung der Roten Gebiete in Bayern wurde damit erreicht.
Trotzdem müssen wir uns weiterhin solidarisch zeigen, denn die Ausführungsverordnung der DÜV beinhaltet immer noch viele Ungerechtigkeiten für uns Landwirte, wie folgende Beispiele zeigen:
- Unterschiedliche und oft unklare Einteilung in Rote/Gelbe/Grüne Gebiete innerhalb eines Grundwasserkörpers, d.h. benachbarte Flächen sind oft unterschiedlich gefärbt. Insbesondere gewässernahe Flächen sind oftmals grün. Wo ist da der Sinn?!
- Intransparente und verursacherungerechte Berechnungen zur Ausweisung der Roten/Gelben/Grünen Gebiete. So werden beispielsweise die aus der Tierhaltung des jeweiligen landwirtschaftlichen Betriebes anfallenden Nährstoffmengen auf den jeweiligen Betriebsflächen verteilt, während nicht direkt zuordenbare Nährstoffmengen aus Gewerbebetrieben (z. B. gewerbliche Tierhaltung oder gewerbliche Biogasanlagen) auf die Gemarkungs-/Gemeindeflächen verursacherunabhängig verteilt werden. Anfallende Nährstoffmengen aus Klärschlamm und Kompost werden unabhängig vom Ausbringer auf allen bayerischen Flächen verteilt!
- Schlagbezogene 170 kg N-Berechnung in Roten Gebieten: Einerseits ein extrem bürokratischer Aufwand, da jede Fläche einzeln berechnet werden muss. Andererseits wird abweichend von der betrieblichen 170er-Berechnung mit dem Bezugszeitraum Kalenderjahr, bei der schlagbezogenen Berechnung vom Düngejahr ausgegangen, sprich ab Ernte der Vorfrucht. Insbesondere Betriebe mit Zweitfrüchten oder Zwischenfrüchten mit Futternutzung, die ja als Alternative zum Maisanbau immer propagiert werden, werden dadurch massiv benachteiligt, da eine bedarfsdeckende Nährstoffversorgung mit Wirtschaftsdüngern (im Gegensatz zu Mineraldüngern!) nicht mehr möglich ist.
- Massive Einschränkung der Wirtschaftsdüngerausbringung in allen Gebieten durch die veränderte Verlustanrechnung von Wirtschaftsdüngern (keine Ausbringverluste mehr, höhere Mindestwirksamkeit). Dadurch wird von den Landwirten in der Praxis eine Nähstoffausnutzung (=Mineraldüngeräquivalent) gefordert, wie sie selbst in den Versuchen der Landesanstalt für Landwirtschaft unter wissenschaftlichen optimal Bedingungen (beste Böden/Lagen, optimalste Ausbringtermine, optimierte Wirtschaftsdünger, optimierte Fruchtfolge…) kaum erreicht werden können.
- Vorgeschriebene Verwendung der eigenen Erträge aus den letzten fünf Jahren für die Düngebedarfsermittlung. Durch Reduzierung der Düngung (siehe vorhergehenden Punkt bzw. 20% Reduzierung in Roten Gebieten) sinken unweigerlich die eigenen Erträge, somit reduziert sich wiederum die zukünftige Düngung und daraus wiederum die zukünftigen Erträge (negative Ertragsspirale).
- Festmist-/Kompostausbringung im Roten Gebiet ist weitgehend unmöglich. Festmist/Kompost darf im Roten Gebiet nur noch zu Zweitfrüchten und eingeschränkt zu Zwischenfrüchten ausgebracht werden, aber nicht mehr zu Raps oder Wintergerste oder anderen Winterungen. Insbesondere die von der Politik geforderten Öko-/Tierwohlställe mit Einstreu (Tretmist, Kompostställe…) werden so aufgrund des enormen Lagerraumbedarfs massiv erschwert!
- Einschränkungen der Ausbringung auf Grünland in Roten Gebieten gelten nur dort, wo mehr als 20% der Roten Fläche Grünland sind. Wo ist da der fachliche Sinn, wenn insbesondere in Grünlandgebieten, wo sowieso nur eine geringe Nitratauswaschung zu befürchten ist, Auflagen einzuhalten sind, in Ackerbaugebieten dagegen nicht?
- Die geforderten Maßnahmen/Berechnungen bzw. Dokumentationen widersprechen sich teilweise.
->So passt die geforderte Jahressumme der Düngedokumentation aufgrund unterschiedlicher Berechnungsweisen meist nicht zur Jahressumme der Düngeplanung und ist somit für Kontrollen unbrauchbar. Was soll also dieser Aufwand bringen?
->Betriebe in Roten Gebieten sind zur Analyse der Wirtschaftsdünger und zur anschließenden Verwendung der Ergebnisse verpflichtet. Wenn diese aber aufgrund von Analysefehlern/-ungenauigkeiten von dem ermittelten „Sollwert“ im Lagerraum-/Gärrestrechner abweichen, ist eine fehlerhafte Planung/Bilanz unausweichlich. Selbst wenn dem Landwirt klar ist, dass die Analysewerte nicht stimmen können und selbst wenn der Fehler von einem Dritten (sprich Labor) verursacht ist, muss er die Analysewerte bis zum bitteren Ende, sprich Überschreitung der Bilanzsalden mit entsprechenden Sanktionen, verwenden. Hier werden die Landwirte von den Verordnungen und Vorschriften geradezu kriminalisiert!
Ziel von Düngeverordnung und AVDüV sollte eigentlich die gleichmäßigere Verteilung von Wirtschaftsdüngern auf der Fläche sein. Genau das Gegenteil wird unweigerlich passieren.
Rainer Seidl, 1. Vorstand Lsv-bayern
->Einschränkung der Herbstausbringung bedeutet höhere Mengen im Frühjahr auf teilweise weniger verfügbaren Ausbringflächen. Der verfügbare Zeitraum sinkt von ca. 7/8 Monate auf etwa 3 Monate.
->Die eingeschränkte Ausbringzeit (keine oder reduzierte Herbstausbringung, Beschränkung der Frühjahrsdüngung) wird auch eine Erhöhung der Schlagkraft nicht annähernd auffangen können, vor allem bei ungünstiger Frühjahrswitterung. Unweigerlich werden daher betriebsnahe Flächen zur Erhöhung der Schlagkraft mehr Wirtschaftsdünger bekommen.
->Betriebe unter 15ha ohne Viehhaltung sind von vielen Auflagen (Düngeplanung, Dokumentation, Nmin-Untersuchung…) befreit, solange sie keine Wirtschaftsdünger aufnehmen. Dies wir die Aufnahmebereitschaft massiv einschränken und somit eine sinnvolle Verteilung des Düngers verhindern.
->Benachteiligung von Zweitfruchtsystemen durch die einzelschlagebezogenen 170kg N-Regelung.
->Einschränkung der Fruchtfolge durch Bevorzugung von Früchten mit möglichst hoher Verwertung der ausgebrachten Wirtschaftsdünger (Mais hat beispielsweise deutlich bessere Verwertung als Getreide!)
->Bei Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung 160/80 muss Gülle verstärkt in Grünen Gebiete ausgebracht werden.
Alle die genannten Punkte werden dazu führen, dass eine gleichmäßige Verteilung der Wirtschaftsdünger gerade nicht erfolgen kann! Fachlich betrachtet, kann das eigentlich nicht der Sinn sein?
Der Aufwand zur Erfüllung der Vorgaben (Düngeplanung, Dokumentation, Analysen usw.) ist in kleinen Betrieben überproportional hoch und wird insbesondere die von der Politik hochgelobten bäuerlichen Betriebe zur Betriebsaufgabe bewegen.
Landwirtschaft verbindet Bayern e.v.
Wie Ihr aus dem oberen zeitlichen Abriss und aus den aufgeführten Beispielen entnehmen könnt, stehen wir noch vor einem riesigen Berg von Aufgaben, denen wir uns stellen müssen. Die erzielten Erfolge sollten unsere Motivation sein um weiter an der Sache zu arbeiten. Ein fachlich geführter Dialog, in den dafür zuständigen Sachgebieten der Ministerien, sollte dazu die Grundlage bilden.
Und trotzdem werden wir unsere Geschlossenheit und unseren Willen, für die Erhaltung der bäuerlichen Landwirtschaft und der regionalen Lebensmittelversorgung, in der Öffentlichkeit zeigen müssen.
Jeder einzelne Landwirt ist wichtig, beteiligt euch bei den Interessengemeinschaften, denn diese bilden ein wichtiges Instrument um eine gerechtere Behandlung der betroffenen Betriebe zu erreichen. Vor allem um nicht zuletzt dem gefordertem Ziel, eine hohe Qualität unsers Trinkwassers nachhaltig dadurch zu schützen.
Unterstützt uns bei unserer Öffentlichkeitsarbeit, geht auf eure Mitmenschen zu und werdet Fördermitglied bei uns. Denn es ist wichtiger dennje, dass die Landwirtschaft aufklärt und unsere Mitmenschen wieder mitnimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Seidl 1.Vorstand
Landwirtschaft verbindet Bayern e.V.
Natürlich ist es erfreulich, dass die Anzahl der “roten Gebiete” reduziert wurde. Leider hat es manchen Landwirt aber übermäßig stark getroffen, obwohl er nicht zu den Hauptverursachern zählt. Hier ist meiner Meinung nach mehr verursachergerecht zu verfahren oder wir erklären uns solidarisch indem alle Landwirte die nächsten vier Jahre z. B. nur noch 10 % unter Bedarf düngen dürfen (wobei ich dies fachlich immer noch für Unsinn halte). Dies wäre einfacher zu handhaben, einfacher zu kontrollieren und vor allem gerechter! Das wäre mein Vorschlag. Ich bin aber gerne für andere Meinungen und Lösungsvorschläge offen.